Zu den über 150 historischen Sport-, Touren-, Renn- und Formelwagen des Rossfeldrennens 2024 gehörte auch der Fiat Abarth 1000 TC Corsa von Klaus Kleber und der Krefelder hatte sichtlich Spaß daran seinen kleinen Italiener das Rossfeld hinauf zu bewegen.
Die Erfolgsgeschichte des Carlo Abarth: Rennsiege, Weltrekorde und PS-Schmiede
Am 31. März 1947 gründete Carlo Abarth gemeinsam mit dem Geschäftsmann Armando Scagliarini sein eigenes Unternehmen. Offizieller Geschäftszweck von Abarth & C.: Produktion von Fahrzeugen und technischen Komponenten für Sport- und Renneinsatz, Entwicklung von Ausrüstung für Serienfahrzeuge sowie der Verkauf von Rennbenzin. Abarth übernahm neben Personal auch Ausrüstung von Cisitalia, darunter sechs Rennwagen. Am 8. Mai 1949 erzielte Guido Scagliarini, der Sohn des Abarth-Geschäftspartners, den historischen ersten Sieg für die Squadra Corse Carlo Abarth. Aber auch große Namen fuhren für Abarth. Piero Taruffi gewann am Ende der Saison die Italienische Formel-2-Meisterschaft für das junge Team. Tazio Nuvolari feierte im Abarth 204A beim Bergrennen auf den Monte Pellegrino 1950 den letzten Sieg seiner Karriere.
Doch Abarth war sich bewusst, dass der Betrieb eines eigenen Rennteams auf Dauer keinen Gewinn abwerfen kann. Er besann sich seiner Experimente mit dem Bau von Motorrad-Abgasanlagen und entwickelte den ersten Sportauspuff für den Fiat Topolino. Es folgten Systeme für andere Fiat Modelle, für Alfa Romeo, Maserati, sogar Vespa-Motorroller und eine Reihe weiterer Marken. Außerdem stattete Abarth eine Zeit lang sämtliche Ferrari-Rennautos aus. Damit seine Produkte auf den ersten Blick zu erkennen waren, entwarf Abarth ein spezielles Farbdesign: die Schalldämpfer waren mattschwarz, die Endrohre verchromt. Endgültig unverwechselbar waren die Auspuffanlagen durch das Firmenlogo – den schwarzen Skorpion, Abarths Sternzeichen, auf gelb-rotem Grund.
Die Idee war ein Verkaufsschlager. Weltweit rissen sich sportlich orientierte Fahrer um die Abarth-Auspuffanlagen, obwohl diese mehr als doppelt so teuer waren wie Konkurrenzprodukte. Sie waren beliebt nicht nur wegen der gesteigerten Motorleistung, sondern vor allem wegen des kernigen Sounds, der ein von Abarth ausgerüstetes Auto auch akustisch einzigartig machte. Geschickt stellte Abarth in der Werbung die Verbindung zu Rennerfolgen her.
Während die Auspuff-Produktion auf vollen Touren lief, entwickelte Abarth sein erstes komplettes Straßenfahrzeug. Der Formel-Renner 204A war von Vignale mit einer Coupé-Karosserie eingekleidet, fertig war der Abarth 205A (1951). Zeitweise mehrmals pro Jahr präsentierte Abarth von nun an Eigenentwicklungen. Er nutzte meist bewährte Fiat Technik, modifizierte die Motoren nach seinen Ideen und lies seine Konstruktionen von den namhaften Designstudios Italiens einkleiden. Unter anderem arbeiteten Bertone, Pininfarina, Ghia, Michelotto, Zagato und Boano für den stets akkurat im Anzug gekleideten Selfmade-Ingenieur mit dem schweren österreichischen Akzent.
Ermöglicht wurden derartige Projekte durch das stetig wachsende Geschäft mit Auspuffanlagen. 1954 produzierte Abarth & C. bereits knapp 58.000 Einheiten, im Rekordjahr 1962 stieg diese Zahl auf 257.000 bei 375 Beschäftigten. Längst vertrieb Abarth aber auch zusätzliches Tuningzubehör wie Doppelvergaseranlagen, die er mit selbst entwickelten Einlasskrümmern an tausendfach in Serienautos eingesetzte Motoren anpasste. Damit war Abarth Vorreiter eines völlig neuen Industriezweiges, der Tuningbranche.
1955 präsentierte Fiat die Kleinlimousine 600, deren Motor für Tuningmaßnahmen à la Abarth ideal war. Mit komplett überarbeitetem Antriebsstrang (747 statt 633 Kubikzentimeter, 42 statt 22 PS) erreichte der Fiat 600 Derivazione Abarth eine für die Fahrzeugklasse schier unglaubliche Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h. Mit einer speziellen Stromlinienvariante ging Abarth das nächste sportliche Ziel an – zu dieser Zeit in der Öffentlichkeit stark beachtete Geschwindigkeits- und Langstreckenrekorde. Im Sommer 1956 erzielte sein Team auf der Rennstrecke von Monza tatsächlich eine ganze Reihe von Bestwerten (siehe Anhang), die im Verlaufe des nächsten Jahrzehnts von neueren Abarth-Konstruktionen wiederholt verbessert wurden. Weil er einen Beschleunigungsrekord in einem Formel-Rennwagen unbedingt selbst aufstellen wollte, nahm Abarth mittels Apfel-Diät fast 30 Kilogramm ab, um überhaupt ins enge Cockpit zu passen.
1957 brachte Fiat einen weiteren Kleinwagen auf den Markt, der den Fiat 600 in seiner Bedeutung für die Motorisierung des so genannten kleinen Mannes noch übertraf – den Fiat 500. Erneut half Abarth dem serienmäßig recht schwachbrüstigen Motor auf die Beine. Statt 14 produzierte der Zweizylinder im Heck nach der Abarth-Kur bis zu 23 PS. Mit noch einmal drei PS mehr erzielte ein Fiat 500 Abarth im Februar 1958 einen neuen Langstreckenrekord in siebentägiger Dauerfahrt. Diese Glanzleistung führte zur offiziellen Zusammenarbeit zwischen Abarth und Fiat. Man einigte sich auf einen Kooperationsvertrag auf Erfolgsbasis: Für jeden Rennsieg erhielt Abarth eine Prämie, schon zweite Plätze waren uninteressant. Um größtmöglichen Nutzen aus diesem Abkommen zu ziehen, entwarf Carlo Abarth für die Vielzahl der zu dieser Zeit im internationalen Rennsport gebräuchlichen Hubraumklassen maßgeschneiderte Fahrzeuge. Beinahe jedes Fiat Serienmodell verwandelte Abarth – der zeitweise auch mit der französischen Marke Simca kooperierte – in seiner Werkstatt am Corso Marche (ab 1958) in ein Rennauto.
Diese Strategie ging auf. Jahr für Jahr fuhren seine Entwicklungen weltweit Hunderte von Klassensiegen ein (siehe Anhang), insgesamt wurden es mehr als 7.300. Besonders erfolgreich waren die Derivate des Fiat 600, deren Hubraum bis 1970 auf knapp 1.000 Kubikzentimeter und die Leistung auf über 110 PS stieg. Ihr markantes Kennzeichen: die offen stehende Haube über dem Heckmotor, die für eine bessere Kühlung sorgte. Vom Fiat 500 entstanden u. a. die Varianten 595 esseesse und 695 esseesse, das Doppel-S stand dabei für Super Sport. Für Rennen, in denen Prototypen zugelassen waren (z. B. 24 Stunden von Le Mans), konstruierte Abarth komplett eigenständige Fahrzeuge (z. B. Fiat Abarth 1000 SP). Damit errangen seine Piloten mehrfach sogar Titel in der Langstrecken-Weltmeisterschaft und der Berg-Europameisterschaft. Selbst einen Formel-1-Boliden hatte Abarth in Planung (1967), verzichtete aus Kostengründen dann aber auf das Projekt.
Es war nicht der letzte Rückschlag, den Abarth hinnehmen musste. Die Konkurrenz bei den Rennen durch die großen Werke wurden immer stärker, die Kosten des Motorsports kletterten beträchtlich. Ende der 60er Jahre überzog außerdem eine für die Metallindustrie teure Streikwelle Italien, von der auch Abarth & C. nicht verschont blieb. Unaufhaltsam neigte sich die Blütezeit der Kleinwagen dem Ende zu, die Verkäufe von Tuningzubehör stagnierten. Weil zudem der Prämienvertrag mit Fiat – nach einer Verlängerung – endgültig auslief, hatte Carlo Abarth keine andere Wahl: Am 15. Oktober 1971 ging seine Firma offiziell in den Besitz von Fiat über. Abarth, der inzwischen mit seiner späteren dritten Frau Anneliese zusammen lebte, wurde Berater.
Fiat nutzte den Namen Abarth fortan für sportliche Topversionen bestimmter Serienmodelle. Das erste unter neuer Regie entstehende Fahrzeug war der Autobianchi A112 Abarth. Die Abarth-Gebäude wurden Heimat der Fiat Rennsportabteilung, die sich zu Beginn der 70er Jahre ausschließlich mit Rallyes beschäftigte. Zunächst der Fiat 124 Spider Abarth, dann der Fiat 131 Abarth wurden vom Werksteam u. a. in der Weltmeisterschaft eingesetzt. Fiat holte damit 1977, 1978 und 1980 den Titel in der Markenwertung, Walter Röhrl wird 1980 Fahrerweltmeister. Ein Triumph, den Carlo Abarth ebenso wenig erlebte wie die Erfolgserie des nach dem Rückzug von Fiat aus dem Rallyesport ebenfalls am Corso Marche beheimateten Lancia Werksteams. Er starb am 24. Oktober 1979 im Alter von 71 Jahren.
Quelle: Stellantis N.V.
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