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Thomas Dirk Heere - Bildjournalist aus Frankfurt - hat die geile Zeit des Motorsports nicht nur miterlebt, sondern war mit seinen Kameras hautnah dabei. Von 1969 bis 1995 war er auf den Rennstrecken Europas Zuhause und gehörte zu den besten seiner Zunft. Beim Anblick seiner spektakulären und lebendigen Bilder kann man die Motorsport-Faszination von damals wahrlich spüren und fühlt sich in diese besondere Zeit zurückversetzt. Es war mir eine große Freude, Thomas zu besuchen und folgendes Interview zu führen.
1. Thomas, wer bzw. was hat Dich inspiriert, den Beruf des Fotografen zu wählen und wann kamst Du erstmalig mit der Motorsport-und Automobilfotografie in Berührung?
Als Sohn eines Kameramannes durfte ich bereits als Kind in der Dunkelkammer meines Vaters Schwarzweißfotos entwickeln. Nach der Schulzeit besuchte ich eine private Fotoschule, die ich nach zwei Jahren mit Diplom abschloss. Meinen Wehrdienst habe ich in der Presseabteilung des III. Korps in Koblenz als Fotograf abgeleistet. Dort stand dann eines Tages der Große Preis von Deutschland auf dem Nürburgring als Redaktionsthema auf der Liste. Dieser Einsatz 1969 war die erste Reportage über Motorsport in meinem Leben. Nach der Bundeswehrzeit habe ich in verschiedenen Fotostudios gearbeitet, unter anderem drei Jahre als Fotoassistent bei Rainer W. Schlegelmilch. Er ist in meinen Augen der beste Motorsportfotograf der damaligen Zeit. Ich riskierte danach die Selbständigkeit als Bildjournalist mit Schwerpunkt
Automobilfotografie. Die Motorsportfotografie war dabei ein wichtiges Standbein meiner beruflichen Existenz.
2. Du hast die geile Zeit des Motorsports hautnah miterlebt. Was machte die besondere Faszination von damals im Vergleich zu heute aus?
Heute verfolge ich Motorsport am TV und bin von der brillanten Übertragung eines Rennes beeindruckt, die durch den technischen Aufwand unzähliger Kameraperspektiven das Geschehen „hautnah“ vermittelt. Diese Eindrücke können aber das selbst Erlebte an der Rennstrecke nicht übertreffen. Wenn du zum Beispiel hinter der Leitplanke einer Rennstrecke kauerst und die Rennwagen an dir in kurzer Distanz vorbeirasen, dann ist dieses Erlebnis zutiefst beeindruckend. Übrigens war der Kontakt mit den Fahrern, Teamchefs und Organisatoren einfacher und direkter, da es die Abschottung der einzelnen Teams, wie sie heute praktiziert wird, nicht gegeben war.
3. Welche Veranstaltungen bzw. Shootings gehören rückblickend zu Deinen absoluten Highlights?
Das ist schwer zu beantworten. In den ca. 30 Jahren, die ich an vielen Rennstrecken in Europa verbracht habe, gab es viele Geschehnisse, die aufregend, spektakulär, manchmal traurig, doch stets faszinierend waren. Aber die 24 Stunden von Le Mans Rennen waren wohl herausragende Veranstaltungen. Körperlich anstrengend, da mit An-und Abreise 4 Tage und Nächte fast ohne Schlaf bewältigt werden mussten. Ich brauchte anschließend zu Hause in Frankfurt einen kompletten Tag, um mein Schlafdefizit nachzuholen.
4. Die fotografischen Möglichkeiten haben sich durch die Digitalisierung gravierend verändert. Heute liegt den Redaktionen das Bildmaterial bereits meistens schon kurz nach Veranstaltungsschluss vor. Wie darf ich mir den Ablauf zu Deiner Zeit vorstellen?
Auch damals musste es meist schnell gehen. Der Redakteur der Zeitschrift, mit der man zusammen gearbeitet hat, nahm meist die unentwickelten Filme vom Rennwochenende mit, um sie montags früh gleich im hauseigenen Labor entwickeln zu lassen. Leider bekam man die Filme oft sehr spät wieder in eigenen Besitz, um das Material weiter zu vermarkten. Manchmal wartete man Monate …
5. Hast Du, um das perfekte Bild zu schießen, hin und wieder auch gefährliche Situationen in Kauf genommen?
Reflektierend auf die Zeit der minimalen Sicherheitsvorkehrungen im Gegensatz zu heute, waren wir, die Rennsportfotografen, oft in den gefährlichen Zonen der Rennstrecke unterwegs, um faszinierende Perspektiven zu erwischen. Die Abwägung, wie weit kannst du dich im Sturzraum einer Kurve in die Nähe der Autos herantrauen, hing oft von den längsten Brennweiten deiner Teleobjektive ab und dem eigenen Mut. Das „zwei Augen fotografieren“ war ein Muss, wollte man die Situation beherrschen: Das eine Auge fokussierte im Sucher die Rennwagen, das andere blieb offen und behielt den Überblick für Gefahren, die im Sucher der Kamera nicht zu sehen waren. Viele extreme Situationen, wenn Fahrzeuge schleuderten oder sich überschlugen, habe ich mit dieser Technik und dem Ausweichen in letzter Sekunde gut überstanden.
6. Was war während Deiner Zeit als Bildjournalist im Segment Auto- und Motorsport der emotionalste Moment für Dich?
Nun, es sind oft die Nachrichten, die vom Tode eines Rennfahrers berichten, den du über die vielen Jahre hinweg durch deine Arbeit gut gekannt hast oder mit dem du freundschaftlich verbunden warst.
In Bezug auf mich selbst war ich besonders aufgeregt, als mir eine spektakuläre Fotoserie eines Feuerunfalls bei einem Boxenstopp gelang. Kurz erzählt: Um eine besondere Perspektive zu bekommen, setzte ich mich auf die Zuschauertribüne, statt wie üblich, ganz nah am Geschehen in der Boxengasse meine Aufnahmen zu machen. Beim Sportwagen-WM-Lauf in Hockenheim kam Jochen Mass zum Tanken und Fahrerwechsel an die Box. Ich hatte gerade einen frischen Film in die Kamera gelegt und fotografierte, als plötzlich das Auto in einem riesigen Feuerball stand. Der Motordrive meiner Kamera lief, bis der ganze Film belichtet war. Mit zitternden Händen und weichen Knien war mir bewusst, dass ich meine spannendste Fotoserie im Kasten hatte.
7. Gab es eine Rennserie, welche speziell in Deinem Fokus stand?
Gewiss. Die Sportwagen-Weltmeisterschaft mit den Gruppe C Fahrzeugen. Ich hatte mit Jaguar Deutschland, die ich auch sonst zu meinem Kundenstamm bei der Autofotografie zählen durfte, einen Vertrag, die Erfolge von Jaguar in dieser Rennserie in der „JAGUAR-Racing-Information“ zu dokumentieren. Einige Jahre war ich in Europa für diese Arbeit unterwegs und hatte intensiven Kontakt mit Tom Walkinshaw und seinen Jaguar-Teams.
8. Über die Jahre hinweg hat es sicherlich auch die eine oder andere Anekdote gegeben. Fällt Dir dazu spontan etwas ein?
Da gab es so viele, dass man ein Buch darüber schreiben könnte… z.B.: Für die Zeitschrift Sport-Auto fotografierte ich einen Formel1-Tracktest in Hockenheim vom Arrows A7. Um einen dynamischen Eindruck von der Fahrt im Foto festzuhalten, setzte ich mich auf die Motorabdeckung des Boliden, verzurrte mit einem Seil meinen Hosengürtel am Überrollbügel und wollte so Fotos über den Fahrer und das Cockpit hinweg erstellen. Langsame Fahrt war vereinbart. Doch es kam anders. Statt zu fotografieren hatte ich Todesangst! Trotz Schreien, langsamer zu fahren, die der Fahrer wegen des Lärms nicht hörte, ging es um den kleinen Kurs … Ich hielt mich verbissen am Überrollbügel fest und konnte nicht ein einziges Foto machen und war froh, keinen Kontakt mit den dicken Hinterradwalzen zu haben. Nach erneuter Absprache in der Box gelang es mir dann, bei der zweiten Runde im gemäßigten Tempo endlich die gewünschten Eindrücke zu realisieren.
9. Was machte für Dich den besonderen Reiz an der Motorsportfotografie aus?
Einerseits war es der intensive Kontakt mit allen Beteiligten eines Rennens, aber auch der eigene Antrieb, die Faszination der schnellen Autos in immer neuen Facetten meiner Sichtweise darzustellen. Hinzu kommt die Tatsache, dass in der analogen Zeit der Fotografie die Diafilme plus Entwicklung recht teuer waren. Die Herausforderung bestand also darin, das perfekte Bild mit einem „Schuss“ zu erlangen.
Diese Präzision in der Situationseinschätzung und der Ausführung war das erstrebenswerte Ziel, auch um die Kosten im Griff zu behalten. Der Einsatz des Motordrive der Kamera war nur dann gefragt, wenn etwas Unvorhergesehenes passierte.
10. Ende der 90er Jahre hast Du Deine Berichterstattung über Autorennen beendet. Was hat Dich dazu bewogen?
Es war die nüchterne Überlegung als Geschäftsmann, dass Motorsportfotografie rentabel sein muss. Nachdem ich immer stärker in meinem Hauptbetätigungsfeld, der Automobilindustrie feine Fotos ihrer neusten Straßenmodelle zu liefern, eingebunden war, musste ich bei einigen Redaktionen oft für ein Rennwochenende absagen. Das öffnete der „Konkurrenz“ Tür und Tor und so kam es dann, dass ich mich wirklich nur noch um meinen Kundenstamm in der Automobilbranche kümmerte.
11. Wie sah Dein fotografisches Betätigungsfeld nach Beendigung der Motorsportfotografie aus?
Es war vorwiegend die fotografische Umsetzung der Wünsche diverser Presseabteilungen der Automobilwerke nach frischen, dynamischen oder auch stimmungsvollen Motiven ihrer neuen Modelle. Das führte mich auf meinen Reisen nach Afrika, durch Europa, Amerika und Australien. Auch die Arbeit für die einschlägige Motorpresse, wie AMS, SportAuto, RallyeRacing, AutoZeitung, MotorKlassik oder ADAC Motorwelt hat immer viel Freude bereitet und war oft auch „Türöffner“ für neue Projekte. Ein bewegtes und bewegendes Leben mit meinen Kameras im Gepäck ….
Herzlichen Dank, Thomas, für die Beantwortung meiner Fragen. Bleib gesund und alles Gute.
Geniesen Sie die folgenden Bilder und besuchen Sie Thomas Dirk Heere's Website heeretd.myportfolio.com/work für viele weitere spektakuläre Shots.
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